Praxiserfahrungen mit der neuen Schätzungsanleitung Ertragswert
Mit Spannung wurde die Revision der Anleitung zur Schätzung des landwirtschaftlichen Ertragswertes verfolgt. Lange war nicht klar, ob die revidierte Schätzungsanleitung auch wirklich zur Anwendung kommt, da diese erst noch vom Bundesrat angenommen werden musste. Am 31. Januar kam dann der Entscheid: Die neue Schätzungsanleitung tritt per 1. April 2018 in Kraft. Das Interesse in der landwirtschaftlichen Fachpresse war von Beginn weg gross und sorgte für Schlagzeilen wie «Ertragswert steigt massiv».
Der durch die Schätzung entstehende Mehrwert wird aber gerne überschätzt. So gab es teilweise nach hohen Erwartungen eher ernüchternde Ergebnisse. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Gebäude aufgrund ihrer Restnutzungsdauer bewertet werden. Wenn nun bspw. seit der letzten Schätzung 10 Jahre vergangen sind, führt die tiefere Restnutzungsdauer zu einer tieferen Bewertung. Die tiefere Restnutzungsdauer egalisiert nicht selten den Anstieg des allgemeinen Wertniveaus, so dass sich der Ertragswert von der 10 Jahre alten Schätzung zur Neuschätzung nur gering verändert. Bei gleicher Bewertung hingegen fällt der Ertragswert für ein Gebäude in der Regel höher aus als mit der alten Schätzungsanleitung.
Wohnraum
Die wohl grössten Differenzen konnten wir beim Wohnraum feststellen. Neu wird nur noch die Betriebsleiterwohnung landwirtschaftlich geschätzt. Weitere Wohnungen werden nicht-landwirtschaftlich bewertet. Vorher war es so, dass je nach Betriebsgrösse eine gewisse Anzahl Raumeinheiten landwirtschaftlich geschätzt wurde. Nur die darüber hinaus vorhandenen Raumeinheiten wurden nicht-landwirtschaftlich bewertet. Der Umstand, dass nur noch eine Wohnung landwirtschaftlich geschätzt wird, kann bei Betrieben mit mehreren Wohnungen zu einem markanten Anstieg des Ertragswertes führen.
Auswirkungen auf die Hofübergabe
Bei der Hofübergabe fällt die Differenz zwischen dem Buchwert und dem Verkaufspreis als Liquidationsgewinn an. Steigt nun aufgrund der neuen Schätzungsanleitung der Ertragswert, steigt der Verkaufspreis und somit auch der Liquidationsgewinn. Demnach führt die revidierte Schätzungsanleitung tendenziell zu einer höheren Steuerbelastung aufgrund eines höheren Liquidationsgewinnes.
Ein bisher wenig diskutiertes Problem ist die Tatsache, dass mit der Höherbewertung des Wohnraumes (siehe oben) zwangsläufig auch die Bewertung des Wohnrechts angepasst werden muss, falls ein solches eingeräumt wird.
Bei der häufig gewählten Form des Wohnrechtsdarlehens führt dies dazu, dass hohe Darlehenssummen gewährt werden müssen. Bei Löschung des Wohnrechts muss das Darlehen zurückbezahlt werden. Je nach Situation des Betriebsleiters kann dies zu finanziellen Problemen führen, wenn beispielsweise auf einen Schlag CHF 250'000.00 umfinanziert werden müssen.
Um der Problematik mit der späteren Umfinanzierung entgegenzuwirken, werden vermehrt Wohnrechtsdarlehen mit Annuität gemacht. Dabei handelt es sich um ein Darlehen, welches sich z.B. auf 30 Jahre selbst tilgt. Das hat den Vorteil, dass das Darlehen nach 30 Jahren vollkommen abbezahlt und der Hofübernehmende somit flexibler ist. Der Nachteil bei dieser Variante ist, dass der jährliche Tilgungsbetrag als Einkommen anfällt, welches besteuert wird.
Fazit
Anhand unserer bisher gemachten Erfahrungen kann gesagt werden, dass das allgemeine Wertniveau zwar gestiegen ist, die Schätzungsergebnisse aber je nach Betriebsstruktur sehr unterschiedlich ausgefallen sind. Sehr grosse Veränderungen sind vor allem bei Betrieben mit mehreren Wohnungen zu erwarten. Beim Vergleich von Schätzungen muss die dazwischen vergangene Zeit berücksichtigt werden.